Dienstag, 1. Dezember 2015

Eigentlich kommt immer alles anders als man denkt

Hallo meine Lieben,

hier bin ich und ich habe noch keine Ahnung, was aus diesem Post werden soll. Ich habe echt Lust zu schreiben, aber ich weiß noch nicht was. Der eigentliche Plan war mal ein Post über das vergangene Wochenende zu verfassen, über die Dinge im Leben, die einen nicht wirklich zum Nachdenken bringen, weil sie einfach da sind. Spaß.
Und dann lese ich die beiden Kommentare bei meinem letzten Post, emotionaler. Gehe auf ihre Blogs, lese noch mehr emotionales. Der Blog von Malika hat mich das ganze Jahr in Kanada über begleitet, aber ich habe schon ewig nicht mehr geguckt, was sie so schreibt. Und jetzt doch wieder. Paris. Ein Link, neuer Blog, neuer Post. Wieder Paris. Ich habe nichts geschrieben zu Paris, habe lange überlegt. Ja? Nein? Was wird es ändern? Warum jetzt nicht, aber im Januar schon? Ich weiß es nicht und doch werde ich mir in diesem Moment bewusst, heute ist es Paris. Heute ist es die Freiheit, das Leben.
Eigentlich kommt immer alles anders als man denkt, nicht über Wien, die Party, den Spaß.

Ich lag morgens im Bett, der letzte Abend war lang und der kommende sollte noch länger gehen. Schnell das Radio an, damit ich nicht wieder einschlafe und dann schalte ich nicht in ein laufendes Lied, nein, sie erzählen von einem Attentat. Paris. Tote. Ich nehme mein Handy in die Hand, google nach Nachrichtenseiten, finde einen Live-Ticker. Wen kenne ich in Paris? Wie geht es denen wohl grade? Sind sie in Sicherheit?
Ich scrolle bis zum Anfang des Newstickers runter, fange an zu lesen. 26 Tote und Geiselnahme. 30 Tote, 100 Geiseln. 40 Tote, am Stadium keine Panik. Erste Verurteilungen der Attentate, Schließung der Grenze. Ausnahmezustand. Und dann irgendwann 126 Tote. Mittlerweile noch mehr. 
Sie war im Stadium, aber postet auf Facebook, dass es ihr gut geht. Die anderen beiden werden als 'In Sicherheit' markiert, zum Glück!
Schock. Was? Wie und vor allem warum? Ich habe nicht wirklich Zeit nachzudenken, ich muss eigentlich zu einem Workshop. Politik im Stadium, was tun gegen rechts. Passend? Weiß ich nicht, aber ich kenne die Leute, kann nicht alleine bleiben. Und dann am Abend? Eigentlich die Party schlechthin. 3 Leute aus meinem Jahrgang, alle 18 geworden, der halbe Jahrgang hat zugesagt. Also hingehen? Warum? Warum nicht? Ich überlege lange und gehe trotzdem hin. Ist das mit dem weiter machen schon zu früh? Sollte ich lieber bis zum nächsten Wochenende warten, bis ich wieder feiern gehe? Ich gehe hin, zusammen mit allen anderen. Viele sprechen von Schuldgefühlen, wie sollen wir denn jetzt noch feiern? Natürlich klappt das, wir feiern. Für einen Abend blenden wir aus, aber am nächsten Tag ist es wieder präsent.
Am Montag die Schweigeminute. Schweigen wofür? "Warum schweigen wir für Paris und nicht für Beirut und all die anderen Opfer?" Stille, die Frage geht uns alle etwas an. Dann der Schüler, der sich kaum meldet. "Dann müssten wir aber sehr oft schweigen." 

In meinem Kurs sind sich alle einig, Luftangriffe zu fliegen ist nicht die richtige Antwort. In einer anderen Klasse gibt es die Diskussion, wie man die Anhänger der IS am besten umbringen kann. Was ist richtig? Und vor allem warum? Und davor habe ich Angst. Wir sollten alle am gleichen Strang ziehen. Müssen am gleichen Strang ziehen.
Trump meint, bewaffnete Opfer hätten alles geändert. Und nun solle die USA doch auf keinen Fall Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Gleichzeitig sehe ich auf meiner Arbeit Kinder aus Syrien, die am Anfang verschreckt sind und dann doch irgendwann wieder lächeln. Irgendwann. Ein stolzes "Hallo", jeder Satz, den sie auf Deutsch können wird unendlich oft wiederholt, jedes Wort, das sie lernen, saugen sie auf wie ein Schwamm das Wasser. Ich bekomme den Ball beim Tennis spielen nicht, sie lachen. Und das Lachen traumatisierter Kinder ist das schönste, es ist echt. 
Ich will nicht wie Trump die Flüchtlinge in Syrien sich selber überlassen, sie fliehen vor der gleichen IS, vor der wir Angst haben. Nicht alle über einen Kamm scheren ist wichtig. Wenn die Attentäter einen französischen Pass haben, wohin soll ich dann den ausweisen? Wenn ich aber den Syrier integriere, ihm die gleichen Möglichkeiten gebe wie jedem anderen auch, welche Möglichkeiten tun sich denn dann für mich auf? Für unsere Gesellschaft. Und für Syrien. 

Trauer ist wichtig, sich nicht verstecken auch. Lasst uns um die Toten weinen, einander die Hände reichen und es besser machen.

"L'obscurité ne peut pas chasser l'obscurité: seule la lumière peut fait cela. La haine ne peut pas chasser la haine: seule l'amour le peut faire cela." Marthin Luther King. "Dunkelheit kann nicht die Dunkelheit bekämpfen, das kann nur das Licht. Hass kann nicht den Hass bekämpfen, das kann nur die Liebe"

Also lasst uns das tun. Lasst uns Geld in die Integration fließen. Mehr Sprachkurse, gemeinsame Aktionen, lasst uns reden, auch über Probleme. Lasst uns die Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen, sie nicht in Turnhallen oder Zelten schlafen lassen, sie willkommen heißen. Und nicht nur sie, jeden. Lasst uns allen Terroristen da draußen, egal woher sie kommen, zeigen, dass sie nicht gewinnen können, dass wir stärker sind. Hass ist nicht die Antwort die wir brauchen. 

"An eye for an eye will make the whole world blind." Mahatma Ghandi. 

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